Predigt zum Heiligen Abend (24.12.2022):
I’m driving home for Christmas
Oh, I can’t wait to see those faces
I’m driving home for Christmas, yea
Well I’m moving down that line.
Heißt es in einem bekannten Weihnachtslied von 1986.
Ich fahre nach Haus zu Weihnachten
Oh ich kann es nicht erwarten all jene Gesichter zu sehen
Ich fahre nach Haus zu Weihnachten, ja
Ja, ich bin auf dem Weg dorthin
Auch ich habe mich auf den Weg gemacht.
Vor wenigen Tagen bin ich in den Zug gestiegen,
mit vielen, vielen anderen, die auch auf dem Weg waren.
Ich bin nach Berlin gefahren,
denn das ist meine Heimatstadt.
In Berlin wurde ich geboren.
Dort bin ich aufgewachsen.
Ich ging dort zur Schule, zur Uni,
Ich kenne die Straßen und Orte.
Ich verbinde viele Erinnerungen damit.
In Berlin habe ich Freunde und Familie getroffen.
Es waren Freundinnen aus meiner Schulzeit.
Manche habe ich seit einigen Jahren nicht gesehen.
Und trotzdem war es so, als hätten wir uns erst gestern getroffen.
Mit manchen war ich auf dem Weihnachtsmarkt,
mit anderen in einem Café oder in einer Bar,
mit wieder anderen habe ich Brettspiele gespielt.
Wir haben und ausgetauscht und viel zusammen gelacht.
Auch meine Familie habe ich getroffen.
Mit meinem Vater habe ich über Serien und Filme geredet.
Und darüber, ob und wie er sich Netflix einrichten könnte.
Bei meinen Großeltern habe ich am Grab neue Blumen hingestellt.
Denn auch das ist Heimat: Der Ort, wo die Toten begraben sind.
I’m driving home for Christmas
Driving home for Christmas
With a thousand memories
Ich fahre nach Haus zu Weihnachten
Ich fahre nach Haus zu Weihnachten
Mit tausend Erinnerungen im Kopf
Vielleicht ist es auch euch nicht unbekannt,
Weihnachten nach Hause zu fahren und nach Hause zu kommen.
Einige von euch sind erst in den letzten Tagen nach Braunschweig angereist.
Einige werden sich noch auf den Weg in andere Heimatstädte begeben.
Einige treffen ihre Familie und Freunde, teilen Erinnerungen miteinander.
Und einige machen das bewusst nicht, auch das ist ok.
I’m driving home for Christmas
It’s gonna take some time
But I’ll get there
Driving home for Christmas
Ich fahre nach Haus zu Weihnachten
Es wird noch ein Weilchen dauern
Aber ich werde dort ankommen
Ich fahre nach Haus zu Weihnachten
So wie wir heute haben sich auch Maria und Joseph damals auf den Weg gemacht.
Wegen eines Gesetzes vom Kaisers mussten sie sich auf die Reise begeben:
„Da machten sich alle auf – jede und jeder in die Heimatstadt.
Josef ging von der Stadt Nazareth in Galiläa nach Judäa,
sein Ziel war die Stadt Bethlehem, denn er stammte von David ab.“ (Lk 2,3-4*)
Also gingen Maria und Joseph nach Bethlehem.
Das war die Stadt, aus der Josephs Vorfahren stammten,
dort waren sie begraben. Das war also seine Heimat.
Sie wollten sich dort registrieren lassen –
und gleich auch noch ihren ungeborenen Sohn,
denn Maria war hochschwanger.
Neben Maria und Joseph hatten sich auch noch viele andere auf den Weg gemacht.
Es war so voll in Bethlehem, dass sie nur eine einfache Unterkunft fanden.
Sie fanden einen Stall mit Heu, mit Kühen, Ziegen und einer Futterkrippe.
Und ebendort bekam Maria ihr Kind, ihren Sohn: Jesus.
Familie und Freunde trafen Maria und Joseph leider nicht.
Dafür kamen aber ganz viele andere: Engel, Hirten, Könige.
Eine ganze Wahlverwandtschaft, sozusagen.
Und die, die da waren, waren die richtigen:
Der Engel, der immer ganz laut und schief mitsang,
der Hirte mit den grünen Haaren und den vielen Tattoos;
der kleine König mit Grete, Wuff und Tiger,
der Engel, der von moderner Technik nichts verstand;
der Hirte, der eins seiner Schafe verlor und ihm nachging
und der König, der den Wednesday-Tanz einstudierte.
Sie alle feierten mit Maria und Joseph die Geburt von Jesus.
Und wahrscheinlich konnten sie sich noch viele Jahre daran erinnern.
Denn es war nicht irgendeine Geburt:
Jesus war der verheißene Messias, der König der Welt,
der Retter, der Sohn Gottes.
Und die Engel sangen:
„Gottes Herrlichkeit erfüllt die Himmelshöhe!
Sein Frieden kommt auf die Erde zu den Menschen,
denen er sich in Liebe zuwendet.“ (Lk 2,14)
So I sing for you
And feel you near me
Driving in my car
I’m driving home for Christmas
Darum singe ich für dich
Und ich spüre deine Nähe
Fahre mit meinem Auto
Ich fahre nach Haus zu Weihnachten
Auch Ana und Kateryna sind dieses Jahr gefahren.
Mit dem Auto, viele tausende Kilometer weit.
Anders aber als Maria und Joseph,
anders als ich und vielleicht auch ihr,
mussten sie aber ihre Heimat verlassen.
Vor zwei Wochen standen sie bei uns im Hausflur.
Katerynas Eltern wohnen schon seit Frühling im Mehrfamilienhaus.
Sie sind in der ersten Fluchtwelle nach Braunschweig gekommen.
Nun haben sie ihre Tochter und Enkeltochter aus der Ukraine geholt.
Ein Winter ohne Strom und Heizung für ein kleines Kind? Undenkbar.
Also wohnen sie nun zu Viert in der provisorisch hergerichteten Wohnung.
In die strahlenden Gesichter von Ana und Kateryna zu schauen,
war mein persönlicher Weihnachtsmoment in diesem Jahr.
Seitdem denke ich über Heimatstädte und Heimatorte noch ein wenig anders nach:
Vielleicht sind das nicht die Orte, in denen wir geboren werden.
Vielleicht sind es auch nicht Orte, in denen unsere Toten begraben sind.
Sondern es sind die Orte, die wir für uns als Heimat aussuchen.
Nur für einen Moment und für einen nächsten.
Manchmal sind das provisorische Orte wie ein Stall, eine Herberge.
Manchmal sind das Fremde, die zu Freunden werden.
Und vor allem:
Es sind Orte, wo der Frieden herrscht.
Wo Jesus mitten unter uns ist.
Wo er sich uns in Liebe zuwendet.
I’m driving home for Christmas
Oh, I can’t wait to see those faces
I’m driving home for Christmas, yea
Well I’m moving down that line.
Ich fahre nach Haus zu Weihnachten
Oh ich kann es nicht erwarten all jene Gesichter zu sehen
Ich fahre nach Haus zu Weihnachten, ja
Ja, ich bin auf dem Weg dorthin